Nach der starken Entwicklung der Schwellenländer im vergangenen Jahr machen sich Investoren in zweierlei Hinsicht Sorgen: Zum einen über die Wahrscheinlichkeit, dass die Schwellenländer in den nächsten sechs Quartalen hinter den Industrieländern zurückbleiben werden – was in der jüngeren Geschichte allerdings recht selten vorkam. Zum anderen darüber, dass die Renditen der US-Staatsanleihen steigen, was allgemeine Unruhe an den Märkten hervorrufen könnte.
Normalerweise wären diese Faktoren Hinweise darauf, dass sich für die Schwellenländer das Blatt zum Negativen wendet. Nicht aber in der aktuellen Situation. Das wirtschaftliche Umfeld dürfte Schwellenländeranlagen weiterhin zugute kommen. Und wenn sich die Geschichte wiederholt, dann dürften sich Schwellenländeraktien und -anleihen weiterhin aussergewöhnlich gut entwickeln.
Dass sich die Aktienmärkte der Schwellenländer in einem solchen Umfeld besonders gut entwickelt haben, ist nicht unbedingt eine Überraschung. Wohl aber, dass es Schwellenländeranleihen ebenso ergangen ist. Nicht abgesicherte Schwellenländeranleihen in Lokalwährung erzielten durchschnittliche Jahresrenditen von rund 14%, mehr als doppelt so viel wie US-Staatsanleihen und deutlich mehr als alle anderen Schuldinstrumente (abgesehen von Hochzinsanleihen, die sich tendenziell eher wie Aktien entwickeln). Und auch wenn auf US-Dollar lautende Schwellenländer-Staatsanleihen hinter ihren Pendants in Lokalwährung zurückgeblieben sind, haben sie sich dennoch besser entwickelt als Industrieländer-Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen.1
Nach unseren Prognosen tritt die Welt in eine dieser günstigen Phasen mit hoher Inflation und starkem Wachstum ein, die für Schwellenländeranlagen äusserst förderlich sind.
Die Welt tritt in eine dieser günstigen Phasen mit hoher Inflation und starkem Wachstum ein, die für Schwellenländeranlagen äusserst förderlich sind.
Der Grossteil des jüngsten Preisanstiegs ist sicherlich auf Schocks auf der Angebotsseite zurückzuführen – Lockdowns führten zu Engpässen und Lieferverzögerungen, wodurch die Preise von Rohstoffen und anderen wichtigen Produktionsfaktoren nach oben gedrückt wurden. Doch auch wenn ein Teil dieses Inflationsdrucks im Zuge der Wiederöffnung der Volkswirtschaften nachlassen wird, werden starke Impulse, nicht zuletzt ausgehend von den USA, die Nachfrage weiterhin stützen. Es ist schwer zu sagen, wie sich diese Effekte letztendlich auswirken werden, aber alles in allem erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die Ära der niedrigen Inflation bald vorbei ist. Es macht Sinn, sich für diesen Fall durch entsprechende Positionierung zu wappnen.
Es besteht jedoch die Sorge, dass der Höhenflug der Schwellenländer vielleicht doch nicht in trockenen Tüchern ist – weil die Industrieländer in den kommenden Quartalen stärker wachsen dürften als die Schwellenländer. Gleichzeitig besteht das Risiko steigender Renditen von US-Staatsanleihen. Da diese den risikolosen Zinssatz des Marktes abbilden, würde eine solche Entwicklung anderen Anlagen schaden.
In Zeiten eines allgemein starken Wirtschaftswachstums kommt es selten vor, dass die Industrieländer schneller wachsen als die Schwellenländer. 2010 gab es aber eine solche Phase. Damals entwickelten sich sowohl Schwellenländeranleihen als auch -aktien sehr gut – Lokalwährungsanleihen erzielten eine annualisierte Rendite von 12,7%, während der MSCI Emerging Market Index mit fast 19% rentierte. Damit waren die Schwellenländer den Industrieländern um mehr als 6 Prozentpunkte voraus.
Die viel entscheidendere Frage ist aber, ob die Schwellenländer weiterhin so stark wachsen werden oder ob sich die Industrieländer nicht vielleicht doch besser entwickeln. Die Daten lassen hier aber positive Rückschlüsse zu. Die vier Haupttreiber für das Wachstum der Schwellenländer sind allesamt günstig: Der Welthandel boomt, ebenso Rohstoffe, Chinas Wirtschaft ist weiter robust und der US-Dollar scheint sich abzuschwächen (was ebenfalls ein Pluspunkt ist).
Die realen Exporte lagen im Februar bereits wieder auf ihrem langfristigen Durchschnitt und verzeichneten auf das Jahr gesehen einen Anstieg von 5,2% – und das war in fast allen Schwellenländern der Fall. Die Schwellenländerexporte sind in den ersten beiden Monaten des Jahres um 17% gestiegen – während sie in in den Industrieländern sogar leicht zurückgegangen sind – und liegen jetzt um 9% über dem Niveau vor der Pandemie (siehe Abb. 2). Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Unser globaler Handelsindikator deutet darauf hin, dass dies der stärkste Zyklus seit fast 30 Jahren sein wird, dank der massiven fiskalpolitischen Impulse aus den USA, der bommenden Investitionsausgaben durch steigende Unternehmensgewinne und der Tatsache, dass die Erholung Chinas stärker auf das Inland ausgerichtet ist und daher einen sprunghaften Anstieg der Importe ausgelöst hat.
Die globale Nachfrage deutet auf einen zweistelligen Anstieg der Rohstoffpreise in den kommenden zwölf Monaten hin. Allein das von Präsident Biden geplante Arbeitsmarktprogramm dürfte sich in einer direkten Nachfrage nach Rohstoffen in einer Grössenordnung von rund 1,3 Bio. US-Dollar niederschlagen. Darüber hinaus dürften Rohstoffe von ihrem Status als Inflationsabsicherung profitieren, sofern der Aufwärtstrend bei den Verbraucherpreisen anhält.
Obwohl die Wachstumsdynamik Chinas ihren Höhepunkt erreicht hat, dürfte die Art des Wachstums den Schwellenländern allgemein zugute kommen. Grund dafür ist, dass sich China nach dem exportgetriebenen Anstieg im letzten Jahr stärker auf das Inland konzentriert, was wiederum die Importnachfrage ankurbeln dürfte. Die Importe von Kupfer und Eisen zum Beispiel liegen 33% bzw. 78% über dem Trend.
Ausserdem gehen wir davon aus, dass sich der US-Dollar abschwächt, was den Rohstoffpreisen weiteren Auftrieb geben und Kreditnehmer aus den Schwellenländern bei ihrem Schuldendienst entlasten wird.
Normalerweise treiben steigende US-Renditen die Finanzierungskosten der Schwellenländer in die Höhe, was dann in der Regel ihre Währungen belastet. Letztendlich stellt diese Währungsabwertung die Wettbewerbsfähigkeit wieder her und führt zu höheren Exporten und damit zu stärkerem Wachstum. Dadurch können sie leichter ihre Schulden bedienen. Genau dieser Angleichungsmechanismus wurde 2013 im Zuge des Taper Tantrum („Drosselungsangst“) in den USA ausgelöst, als die US-Notenbank beschloss, ihre quantitative Lockerung zurückzufahren, und die globalen Märkte damit in Aufruhr versetzte. Dadurch erklärt sich, warum sich Schwellenländeranlagen in vergangenen Phasen, als steigende US-Renditen mit schwachem Schwellenländerwachstum zusammenfielen, in der Regel deutlich schlechter entwickelten.
Dieses Mal jedoch ist das Wachstum in den Schwellenländern weiter stark, sodass es keinen Grund für eine Abwertung der Schwellenländerwährungen gibt und somit auch keine Panik bei ausländischen Investoren ausgelöst wird. Historisch gesehen entwickelten sich Schwellenländeranlagen in einem Umfeld starken Schwellenländerwachstums und steigender US-Anleiherenditen am besten (siehe Abb. 3).
Schwellenländerwährungen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Entwicklung in den verschiedenen wirtschaftlichen Szenarien nicht sehr von anderen Schwellenländeranlagen. Ein schwaches Wachstum in Zeiten steigender US-Renditen mündet in einer Währungsabwertung. Starkes Wachstum, auch in einem inflationären Umfeld, führt insbesondere bei asiatischen und lateinamerikanischen Währungen zu einer Aufwertung.
In diesem Fall ist die Entwicklung der Währungen während des Taper Tantrum ein schlechter Indikator dafür, was uns in den nächsten Quartalen erwartet. Damals kühlte sich das Wachstum ab und Schwellenländer mit Leistungsbilanzdefizit wurden hart getroffen – zwischen Januar 2013 und Februar 2014 werteten die Währungen um 18% ab. Jetzt ist die Abwertung moderat und betrifft hauptsächlich die türkische Lira, und das auch nur, weil dafür besondere Umstände verantwortlich sind. Gleichzeitig ist der Aussenfinanzierungsbedarf der Länder mit dem grössten Leistungsbilanzdefizit deutlich geringer als damals.
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