Technische Beeinflussung des Klimas

Die Welt setzt alles daran, um die Ziele des Pariser Klimaübereinkommens zu erreichen. In diesem Zusammenhang gewinnt innovatives Geoengineering immer mehr an Schlagkraft.

Die Reduzierung der Emissionen reicht möglicherweise nicht aus, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Einige Klimaforscher, Startups und Philanthropen glauben, dass wir den bereits verursachten Schaden rückgängig machen müssen. Geoengineering  die Manipulation des Klimas in grossem Stil, entweder durch Umlenkung der Sonnenstrahlung oder die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre – könnte dabei ein entscheidendes Instrument sein. Experten zufolge könnte die Technologie so flexibel einsetzbar sein wie ein Thermostat im eigenen Zuhause.

CO2-Geoengineering ist die ausgereiftere Technik. Am wenigsten Technologie erfordert die Wiederaufforstung, bei der eine enorme Anzahl von Bäumen gepflanzt wird, um ihre photosynthetische Fähigkeit zur Absorption von CO2 zu nutzen. Damit die Wiederaufforstung wirklich etwas bewirken kann, werden riesige Landflächen benötigt, was kostspielig und nicht praktikabel ist.

Ein effizienterer Ansatz ist die CO2-Filterung direkt aus der Luft (DAC). Das Schweizer Unternehmen Climeworks hat kleine modulare Reaktoren entwickelt, welche die Energieeffizienz des Prozesses verbessern, weil sie mit niedrigeren Temperaturen auskommen. Gleichzeitig kann überschüssige Wärme in Industrieprozessen weiterverwendet werden. Auch wenn DAC immer noch teuer ist, so ist die Technologie doch 400 Mal platzsparender als die Wiederaufforstung, so Christoph Gebald, Geschäftsführer von Climeworks. Die Methode sei seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt; die Herausforderung bestehe jetzt darin, „sie günstig zu machen und in grossem Stil zu nutzen“.

Aufgrund des geringen Platzbedarfs und der modularen Technologie kann Climeworks seine physischen Standorte nach Faktoren wie Verfügbarkeit erneuerbarer Energie und niedrigen Versorgungskosten frei wählen. „Die Konzentration von CO2 ist mehr oder weniger überall in der Atmosphäre gleich“, so Gebald. „Binnen sieben Tagen hat ein CO2-Molekül einmal die Welt umrundet. Wir können es an einer beliebigen Stelle entnehmen. Wir gehen dorthin, wo der CO2-Speicher ist, damit wir das CO2 nicht transportieren müssen, und wo günstige erneuerbare Elektrizität verfügbar ist.“ 

Andere wiederum entwickeln intelligentere Speicherlösungen. Das isländische Unternehmen Carbfix hat eine Technik entwickelt, mit der sich CO2 zu Stein mineralisieren lässt, der einfach und kostengünstig unterirdisch gelagert werden kann. Also ein ganz anderes Prinzip als die herkömmliche CO2-Sequestrierung, bei der CO2 in geologische Formationen wie ausgeförderte Öl- und Gaslagerstätten gepumpt wird – mit dem Risiko von Leckagen oder geochemischer Verunreinigung, was eine ständige Überwachung erforderlich macht.

„Man muss nicht wie bei der herkömmlichen Sequestrierung Überwachungskampagnen für die nächsten Jahrzehnte planen“, sagt Edda Sif Aradóttir, CEO von Carbfix. „Wir finden, das ist ein sehr eleganter Weg, Emissionen zu reduzieren und CO2 zurückzuholen, das bereits in die Atmosphäre abgegeben wurde.“ Carbfix kann 100 kg CO2 in gerade mal 42 Kubikmetern Stein speichern. Das Unternehmen arbeitet zusammen mit Climeworks an einem Projekt namens Orca, einem kommerziellen Demonstrationsstandort, an dem 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr gespeichert werden sollen. 

Strahlen umlenken

Ein radikalerer – und umstrittenerer – Ansatz für die Klimabeeinflussung ist Solar-Geoengineering, eine bislang noch hypothetische Lösung, mit der die Erdtemperatur gesenkt werden könnte, indem die Sonnenwärme reflektiert wird.

Im kleinsten Massstab gibt es solche Innovationen bereits, wie Oberflächen mit hoher Albedo, welche die Wärmestrahlung an Gebäuden in warmen Klimazonen reflektieren sollen. Solar-Geoengineering kann aber viel grössere Dimensionen annehmen. 

Die am weitesten erforschte Methode, so Peter Irvine, Dozent für Klimawandel am University College London, ist die Stratospheric Aerosol Injection, das heisst die Einbringung grosser Mengen von anorganischen Teilchen wie Schwefeldioxid in die oberen Schichten der Atmosphäre. 

Diese Aerosole verteilen sich in Höhen von über 20 km und wirken als Barriere gegen eindringendes Sonnenlicht, ähnlich wie bei Vulkanausbrüchen, wo Sulfataerosole in die Stratosphäre emittiert werden. Dort reagieren sie zu Schwefelsäure und bilden zusammen mit Wasser winzige Tröpfchen, die Licht streuen. 

Die Sorge, dass mit dieser Form von Geoengineering die Temperatur unbeabsichtigt zu stark fallen und eine Eiszeit auslösen könnte, wie im Science-Fiction-Film Snowpiercer, ist nach Meinung von Irvine unbegründet. Die Aerosolinjektionen können je nach Bedarf angepasst werden. „Man könnte das Klima so regeln wie mit einem Thermostat zuhause“, sagt er. 

Dennoch ist Vorsicht geboten. Aerosole haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Wenn man nicht aufpasst, könnte Solar-Geoengineering einen rapiden Anstieg der Temperatur bewirken, an den sich einige Arten nicht werden anpassen können. Forscher haben auch gezeigt, dass die Temperaturmanipulation die Häufigkeit und die Intensität natürlicher Klimaphänomene wie den El Niño-Effekt – eine Erwärmung der Meerestemperaturen, die sich auf die Wetter- und Niederschlagsmuster auswirkt – deutlich verstärken könnte.

Die von Irvine erstellten Modelle lassen jedoch darauf schliessen, dass, wenn mit Geoengineering die globale Erwärmung halbiert statt ganz bekämpft werden soll, die Einbringung von Aerosolen in die Stratosphäre dem Planeten eher nutzen als schaden würde.  

Es gibt auch lokalere Solar-Engineering-Strategien. Bei der Aufhellung von Meereswolken zum Beispiel werden Meerwasseraerosole in küstennahe Stratocumuluswolken injiziert. Dadurch erhöht sich die Konzentration der Wolkentröpfchen und bewirkt einen Albedo-Effekt, der die Sonnenstrahlung reflektiert. Das könnte hilfreich sein, um temperaturempfindliche Gebiete wie Eisdecken oder Korallenriffe zu schützen. Aber auch die Aufhellung von Meereswolken ist nicht ohne Risiko. Es könnte zu weitreichenden lokalen Veränderungen kommen, die auf unvorhersehbare Weise mit der Meeresströmung, den Wettermustern und der örtlichen Biologie interagieren.

Solar-Geoengineering steckt noch in den Kinderschuhen. Die Ausgaben dafür sind unbedeutend, sie werden auf gerade mal 8 Mio. US-Dollar im Jahr 2017 und 2018 geschätzt, wohingegen jährlich 3,5 Mrd. US-Dollar in die Forschung zum Klimawandel fliessen. Zudem gibt es Gegenwind.

Die Wettermanipulation, auch wenn das etwas anderes ist als planetares Geoengineering, hat eine unrühmliche militärische Geschichte: Mit der Operation Popeye zum Beispiel, einer Initiative des US-Militärs, um Wolken zu impfen, sollte die Monsun-Zeit verlängert werden, um die Militärlogistik in Nordvietnam empfindlich zu stören. 1978 wurde eine UN-Konvention auf den Weg gebracht, mit der die Modifizierung der Umwelt für militärische Zwecke verboten wurde.

Ein Kritikpunkt an allen Formen von Geoengineering, der viel schwerer wiegt, ist das moralische Risiko und eine Selbstgefälligkeit, die Entscheidungsträger dazu verleiten könnte, sich vor unliebsamen drastischen Massnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu drücken, wenn wir das Klima beeinflussen können. Befürworter hingegen sehen Geoengineering als eines von vielen dringend benötigten Instrumenten und argumentieren, dass wir ohne solche Techniken eine Klimakatastrophe womöglich nicht vermeiden können – vor allem, weil die globalen Temperaturen angesichts des Rückstands der Klimaphysik auf ihren höchsten Stand steigen werden, wenn die Welt die Nettoemissionen auf Null reduziert hat.

„Solar-Geoengineering kann die Temperaturen auf das Niveau senken, die wir bei netto null haben“, sagt Irvine. „Ich denke, wir haben enorme Fortschritte bei der Reduzierung der Emissionen in den Industrieländern gemacht. Die Technologie ist da und bei Solar und Wind wettbewerbsfähig; dieser Übergang ist bereits in vollem Gange. Dieser Fortschritt ist jedoch im Zusammenhang mit einer globalen Wirtschaft zu sehen, die jedes Jahr wächst, daher nähern wir uns den Emissionsspitzen gerade erst an.

Die öffentliche Meinung ist gespalten. Menschen in den Entwicklungsländern, die stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, sind offener für Geoengineering, so Masahiro Sugiyama, Dozent am Policy Alternatives Research Institute der Universität Tokio. Er führte eine Online-Umfrage bei Studierenden in sechs Ländern im Asien-Pazifik-Raum durch und fand heraus, dass Befragte aus Schwellenländern (China, Indien und Philippinen) dem Geoengineering viel positiver eingestellt sind als diejenigen aus Ländern mit hohem Einkommen wie Australien, Japan und Südkorea. „Sie erleben den Klimawandel hautnah mit und machen sich viel grössere Sorgen. Vielleicht sind sie auch verzweifelter und greifen nach jedem Strohhalm, der sie vor den Schäden des Klimawandels retten könnte.“

Die Befragten sind sich jedoch insgesamt einig, so Sugiyama, dass alle Länder koordiniert zusammenarbeiten müssen. Die Forscher geben Empfehlungen für Leitlinien und Konzepte, die dem Solar-Geoenineering, der umstrittensten Einflussnahme, mehr Geltung verschaffen könnte. Das erfordert die Beteiligung der Öffentlichkeit, „Steuerung vor Umsetzung“ und unabhängige Bewertung der Auswirkungen.

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