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Emerging Market Monitor

Juli 2023
Marketingdokument

Asien und sein ungebremster Regionalismus

Weithin herrscht die Auffassung, dass sich die Welt deglobalisiert. Die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit der asiatischen Länder und die wirtschaftliche Stärke der Region strafen diesen Mythos jedoch Lügen. Der globale Handel wird das rasante Wachstum der asiatischen Schwellenländer weiter vorantreiben.

01

Wachstumsmotor

Die Globalisierung ist ein starker Wachstumsmotor für Asien, insbesondere für die Schwellenländer der Region. Und das wird auch so bleiben – trotz der allgemein befürchteten Deglobalisierung. Zum einen ist der globale Handel insgesamt nicht rückläufig, wohl aber verändert sich seine Beschaffenheit und Zusammensetzung. Ein Grossteil dieser Veränderung geht auf Asien zurück und ist eine Begleiterscheinung der rasanten Entwicklung der Region, die wiederum mit der Globalisierung in Zusammenhang steht. 

Tatsächlich haben die asiatischen Schwellenländer einen Punkt erreicht, an dem sie alles haben, was sie für ein nachhaltiges Wachstum brauchen. Die Region setzt sich aus vielfältigen und komplementären Volkswirtschaften zusammen – und ist daher immer weniger abhängig vom Rest der Welt. Sie verfügt über eine Fülle von Wachstumsquellen, die sich auf ihre verzahnten Wirtschaftsbereiche verteilen: Handel, Kapital, Wissen und Arbeitskraft.

02

Mythos Deglobalisierung

Pessimistische Beobachter berufen sich häufig darauf, dass der globale Warenhandel 2008 seinen Höhepunkt erreicht hat und seitdem abwärts tendiert. Dabei ignorieren sie zwei Faktoren.

Abbildung 1 – (Vorübergehender) Stillstand
Globaler Warenhandel, % des BIP
Trade chart
Quelle: Pictet Asset Management, CEIC, Refinitiv. Daten vom 01.01.1960–01.02.2023.

Der erste ist, dass ein grosser Teil des Rückgangs darauf zurückzuführen ist, dass China im Zuge seiner Entwicklung die industrielle Fertigung zunehmend ins eigene Land verlagert. In der Vergangenheit war es so, dass bei der Herstellung von Unterhaltungselektronik immer ein anderes Land beteiligt war, z.B. Taiwan, und dann ging das Produkt mehrfach von A nach B und wieder zurück. Jetzt findet die gesamte Fertigung in China selbst statt.

Der zweite Faktor ist, dass Dienstleistungsexporte an Bedeutung gewinnen, aber im Allgemeinen nicht in den Globalisierungsstatistiken erfasst werden – der globale Dienstleistungshandel hat sich seit 2008 nahezu verdoppelt.

Der Anteil des Warenhandels am weltweiten BIP wird sicherlich weiter sinken. Aber das hat grösstenteils mit der Entwicklungsdynamik des Dienstleistungssektors zu tun, da die Volkswirtschaften rund um den Globus reifen. Das tatsächliche Volumen des Warenhandels dürfte wachsen. So zeigen vorläufige Daten für 2023 einen starken Aufwärtstrend, nachdem der Handel sich zehn Jahre weitgehend seitwärts bewegt hat.

Das soll aber nicht heissen, dass der Handel 'safe' ist. Beispielsweise haben die USA 2022 im Rahmen ihrer Reshoring-Massnahmen rund 220.000 Arbeitsplätze wieder ins Land zurückgeholt.1 Das ist zum Teil der Covid-Krise geschuldet, weil die Unternehmen erkannt haben, dass ihre internationalen Lieferketten fragil sind, und sie künftigen Störungen vorbeugen wollten. Dieser Trend zeichnete sich jedoch bereits vor Covid ab. Geopolitische Spannungen haben dem Reshoring und Near-Shoring weiter Vorschub geleistet. 

Abbildung 2 – Servicekultur
Globale Exporte von Waren und Dienstleistungen, 2008=100
Waren und Dienstleistungen
 Quelle: Picet Asset Management, CEIC, Refinitiv. Daten vom 01.01.1990–01.02.2023.

Es gibt jedoch Grenzen für das Reshoring, nicht zuletzt, weil sich der Wettbewerbsvorteil eines Landes bei der Herstellung zumindest einiger Waren und Dienstleistungen nicht in Luft auflösen wird.

Gleichzeitig hat Covid zwar Störungen im Warenhandel verursacht, aber neue Wege für den Ausbau des Dienstleistungssektors eröffnet. Man konnte deutlich sehen, wie sehr die Kommunikationstechnologie die Internationalisierung von Dienstleistungen begünstigte. Es geht nicht mehr nur darum, Callcenter in Indien einzurichten. Durch Telemigration wurden unter anderem Finanz-, Rechts-, Ingenieur-, Architektur-, Beratungs-, Werbe- und Marketingdienstleistungen für den internationalen Wettbewerb geöffnet.

03

Der Aufstieg der asiatischen Schwellenländer

Die erste Welle der Globalisierung wurde durch die Dampfmaschine ausgelöst. Schnelle und effiziente Transporte führten im 19. Jahrhundert zu einem boomenden Handel. Das grosse Geld machten vor allem die am stärksten industrialisierten Länder. 1987 entfielen fast 70% der weltweiten Fertigerzeugnisse auf die G7.2 

Die jüngste Welle der Globalisierung wurde von einer weiteren Innovation angetrieben – dem Internet. Dadurch wurden die Kosten für die Übertragung von Informationen gesenkt und die Produktion und die Verteilung von Fertigerzeugnissen wurden beschleunigt. Diesmal waren asiatische Produzenten die Hauptprofiteure. Allein China produziert 30% der globalen Fertigerzeugnisse – Gesamtasien leistet einen Beitrag von 41% und bei den G7-Staaten sind es 34% (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3 – Wachstumsmotor China
% der weltweiten Produktionsleistung
Produktionsleistung
Quelle: Pictet Asset Management, UNSTAT. Daten vom 01.01.1970–31.12.2021.

Die Dominanz Asiens bei Fertigerzeugnissen dürfte durch die enge Integration seiner Volkswirtschaften – nicht zuletzt durch Handelsabkommen wie ASEAN, die Transpazifische Partnerschaft und die RCEP – weiter zunehmen, da die Länder der Region vielfältig wie auch komplementär sind. Eine neue Globalisierungswelle könnte durch eine weitere Innovation ausgelöst werden – künstliche Intelligenz. China ist auch hier führend.

04

Vier Wirtschaftsblöcke

Die asiatischen Volkswirtschaften bilden drei Schwellenländer-Blocks und einen Industrieländer-Block. Jeder Block ergänzt die jeweils anderen, da sie alle unterschiedliche Stärken in den Bereichen Handel, Kapital, Arbeitskräfte und Informationen haben.

China und Hongkong bilden den zentralen Block – den Dreh- und Angelpunkt der Region. Dieser Block beherrscht den regionalen Handel – 25% der Exporte aus asiatischen Industrieländern gehen nach China, darunter 40% der Exporte Australiens.3 Obwohl China die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ist – und auf Platz eins zusteuert –, hat China nur einen Anteil von einem Drittel am Pro-Kopf-BIP der am stärksten entwickelten Länder der Region. Von Nachteil ist auch die ungünstige Demografie, aber es ist Kapital im Überfluss vorhanden, sodass der Block massiv in andere asiatische Schwellenländer investieren kann.

Der nächste Block besteht aus weniger entwickelten Ländern – grösstenteils ASEAN-Mitglieder – direkt vor der Haustür Chinas. Sie sind ein Pool für billige und reichlich vorhandene Arbeitskräfte, im Gegenzug fliesst in erheblichem Umfang Kapital der reicheren Nachbarn zu ihnen. 80% der Kapitalzuflüsse stammen aus China sowie den am stärksten entwickelten Ländern der Region.

Abbildung 4 – Wo das Kapital hinfliesst
Direkte Auslandsinvestitionen in Länder und Regionen, in % des globalen Gesamtbetrags, 3-Jahres-Durchschnitt
* Bereinigt um bilaterale Direktinvestitionen. ASEANX umfasst die ASEAN-Länder sowie die Mongolei, Nepal und Birma. Quelle: Pictet Asset Management, UNCTAD. Daten vom 01.01.1999–01.02.2023.

Dann gibt es noch den südasiatischen Block, zu dem Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka gehören. Diese Länder gehören zu den ärmsten der Region – sie kommen nur auf ein Zwanzigstel des Pro-Kopf-BIP der asiatischen Industrieländer. Zudem sind sie nur schlecht in den Rest der Region integriert. Aber sie haben den Vorteil, dass ihre Bevölkerung sehr jung ist und dass sie bedeutende Fortschritte im Business-Services-Sektor gemacht haben. Allein Indien ist mit einem Anteil von 13,2% an den weltweiten Exporten von Informations- und Kommunikationstechnologie beteiligt, die USA nur mit 7,5%. Und trotz der schlechten Handelsbeziehungen mit dem übrigen Asien schreitet die Verzahnung in diesem Sektor rasch voran.

Schliesslich gibt es noch die hoch entwickelten Volkswirtschaften, zu denen Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea, Taiwan und Singapur gehören. Diese Länder haben ein hohes Pro-Kopf-BIP, sind stark urbanisiert, technologisch fortgeschritten und verfügen über Überschusskapital. 

05

'Perfect Match'

Zusammen haben die asiatischen Länder alles, was es für ein sich selbst tragendes Wachstum braucht. Wachstumspotenzial bedeutet, dass Kapital ins Land fliesst. 2001 entfielen 10,2% der globalen Kapitalflüsse auf Asien und bis 2030 wird dieser Anteil auf 23,6% steigen.4 Im gleichen Zeitraum werden die Kapitalflüsse in die USA von 23,6% auf 18,5% sinken.5 Wir gehen davon aus, dass Asien, einschliesslich Japan, 2030 einen Anteil von 33% am globalen BIP haben wird (2000: 26%), während der Anteil der USA bis dahin von 32% auf 20% zurückgehen wird.6

Und da Asien wirtschaftlich immer stärker an Bedeutung gewinnt, wird es auch eine grössere Rolle an den globalen Finanzmärkten spielen. Das bedeutet, dass die Region auch stärker in den globalen Anleiheindizes vertreten sein wird. Und es dürfte sich de facto ein Renminbi-Block bilden. Im Jahr 2006 gab es so gut wie keine Korrelation zwischen der chinesischen Währung und den Währungen anderer asiatischer Volkswirtschaften. Zuletzt ist sie jedoch auf 20% gestiegen. Insgesamt hat der RMB-Block nun einen Anteil von 25% am globalen BIP, was in etwa dem der Eurozone entspricht. Mit der zunehmenden Integration und Entwicklung der Region Asien dürfte dieser Anteil steigen.7

Abbildung 5 – Wo die Welt wächst
Anteil der Regionen am BIP (in USD), %
Anteil am BIP
* Eurozone, GB, Schweiz ** Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen und Schweden Quelle: Pictet Asset Management, Refinitiv, CEIC. Daten vom 01.01.2000–01.01.2023.
Befürchtungen von einem Ende der Globalisierung sind übertrieben – und im Falle Asiens besonders fehl am Platz. Die Region wird zunehmend integrierter und ihre Länder werden untereinander immer abhängiger. Innerhalb der vier Wirtschaftsblöcke Asiens gibt es genügend Vielfalt und Komplementarität, sodass ein selbsttragendes Wachstum möglich ist, auch wenn der Warenhandel in anderen Teilen der Welt an Dynamik verliert. Die Covid-Pandemie, steigende Zinsen und geopolitische Spannungen haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Fortschritt Asiens stagnierte, aber der wirtschaftliche Trend der Region ist positiv.