Rund 18 Monate nach dem Versprechen des japanischen Premierministers Fumio Kishida, eine „neue Form des Kapitalismus“ einzuführen, nimmt sein Revitalisierungprogramm nun konkrete Formen an.
Seine richtungsweisende Initiative zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Bewältigung sozialer Herausforderungen scheint auf einer einfachen Strategie zu basieren: die japanischen Bürger davon zu überzeugen, inländische Aktien zu kaufen.
Kishida fordert die traditionell risikoscheuen und mit hoher Liquidität gesegneten Investoren des Landes auf, ihr Vermögen proaktiv zu verwalten und zu investieren.
Seine Regierung führt ein neues Steuerbefreiungssystem für Investitionen ein, das in Verbindung mit anderen Massnahmen für den privaten Sektor darauf abzielt, den Wechsel vom Sparen zum Investieren zu beschleunigen, den langfristigen Wert japanischer Unternehmen zu steigern und den Wohlstand umzuverteilen.
Die Japaner werden zunehmend aktiv, um ihre finanzielle Zukunft zu sichern – das könnte sich für japanische Aktien als Segen erweisen: Inländische Sparer haben etwa 2.000 Bio. JPY (15 Bio. US-Dollar) auf der hohen Kante.
Die Anreize der Regierung haben bei den japanischen Bürgern grossen Anklang gefunden. Die Rückkehr der Inflation, die auf einem 41-Jahres-Hoch liegt, und die zunehmenden Sorgen über die Finanzierung des Ruhestands haben einen wachsenden Teil der japanischen Bevölkerung dazu veranlasst, Massnahmen für die Sicherung ihrer finanziellen Zukunft zu ergreifen.
Sollte diese Entwicklung an Dynamik gewinnen, könnte sich dies für japanische Aktien als Segen erweisen: Inländische Sparer haben etwa 2.000 Bio. JPY (15 Bio. US-Dollar) auf der hohen Kante.
Aber auch bei ausländischen Aktienanlegern könnte die Attraktivität Japans zunehmen, weil sich die bislang konservativ verwalteten Unternehmen in dynamische, schlanke und aktionärsfreundliche Unternehmen verwandeln, die einen festen Platz in den globalen Portfolios verdient haben.
Japanische Privatanleger haben in der Vergangenheit fast die Hälfte ihres Vermögens in bar oder als Bankeinlagen gehalten.
Lediglich 15 Prozent ihres Vermögens sind in Aktien und Investment-Trust-Fonds investiert – in den USA und Europa dagegen sind es rund 30 Prozent.1
Nach vielen gescheiterten Versuchen früherer Regierungen setzt Kishida nun alles daran, diesen riesigen Berg an Ersparnissen abzubauen.
Um Investitionen in Aktien zu fördern, überarbeitet er das Steuerbefreiungssystem für Investitionen, das sogenannte „Nippon Individual Savings Account“, kurz NISA.
Das NISA wurde ursprünglich 2014 nach dem Vorbild des britischen Individual Savings Account (ISA) eingeführt und sieht für Investoren eine Befreiung von der Steuer (20%) vor, die normalerweise auf Kapitalgewinne und Dividenden bei jährlichen Investitionen in Höhe von 1,2 Mio. JPY pro Jahr und bis zu fünf Jahren erhoben wird.
Ab Januar 2024 verdoppelt sich die steuerfreie jährliche Obergrenze für Investitionen und zwar dauerhaft.
Zum ersten Mal können Investoren ein Investment verkaufen und sind weiterhin steuerbefreit – das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der alten Struktur.
Inländische Investoren könnten zu einer wichtigen neuen Nachfragequelle für den Aktienmarkt des Landes – der zweitgrösste der Welt – werden. Japanische Investoren haben sich in den letzten Jahren auf der Suche nach höheren Renditen im Ausland getummelt, aber der Glanz ausländischer Anlagen verblasst.
Eines der Risiken, die japanischen Investoren, ob institutionell oder privat, immer wieder Sorge bereiten, ist die Währungsvolatilität.
Japanische Investoren sichern sich gerne höhere Renditen im Ausland, schützen sich aber immer vor dem Währungsrisiko. Die Absicherungskosten sind jedoch mittlerweile auf ein Niveau gestiegen, dass sie den Renditevorteil zunichte machen.
So liegen die Kosten für die Absicherung gegen Turbulenzen des Dollar/Yen-Kurses für einen Zeitraum von drei Monaten bei 5,2%, während die Renditedifferenz zwischen 10-jährigen US-Staatsanleihen und 10-jährigen japanischen Staatsanleihen bei 3,4% liegt. Das bedeutet, dass aus den 3,5% auf US-Staatsanleihen nach der Absicherung negative 1,8% werden, was im Vergleich zu japanischen Aktien, die einen Dividendenertrag von 2,6% bieten, sehr unattraktiv ist.2
Wenn Japan sich zu einem Land der Aktionäre wandelt, kommt das auch bei ausländischen Investoren gut an. Nicht zuletzt, weil die Herausbildung einer grossen inländischen Aktionärsbasis die Bemühungen um eine Verbesserung der Corporate-Governance-Standards in japanischen Unternehmen beschleunigen dürfte.
Traditionell mussten es japanische Unternehmen einer sehr breiten Gruppe von Stakeholdern recht machen – den Beschäftigten, den Kunden, den verschiedenen Sparten.
Der fehlende Fokus hat dazu geführt, dass Kapital ineffizient eingesetzt wurde. Nicht umsonst liegt bei der Hälfte der an der Tokioter Börse notierten Unternehmen das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) dauerhaft unter 1 und die Eigenkapitalrendite (ROE) unter 8%. Damit liegen sie weiter hinter dem S&P 500 zurück – mit einem ROE von 19,4%, bei einem KBV von 3,9.
Die Erwartung ist jetzt gross, dass Kishidas ehrgeiziges Vorhaben, eine Kultur des Aktienbesitzes in Japan zu etablieren, den Bemühungen der Tokioter Börse (TSE), die Corporate Governance und die Aktionärsrenditen zu verbessern, einen Schub gibt.
Der TSE hat es sehr missfallen, dass diese Flagship-Unternehmen „überhaupt kein Problem damit haben, gegen die Listing-Kriterien zu verstossen, wonach sie mittel- bis langfristig den Unternehmenswert steigern sollten“, und daher gefordert, dass Wiederholungstäter ihre Managementrichtlinien und Pläne zur Verbesserung der Kapitaleffizienz ihrer Bilanz und ihrer Rentabilität offenlegen, da sie sonst mit einem Delisting rechnen müssen.
Kishidas Reformen sind für börsennotierte Unternehmen in Japan ein grosser Ansporn, die Corporate Governance und die Aktionärsrenditen zu verbessern.
Das allein dürfte für internationale Investoren ein guter Grund sein, sich wieder japanischen Aktien zuzuwenden.
Aber auch die Fundamentaldaten sind überzeugend.
Unseren Berechnungen zufolge dürfte die japanische Wirtschaft in diesem Jahr mit 1,5% so schnell wachsen wie kein anderes Industrieland – dank steigender Investitionen und Ausgaben von hochliquiden Unternehmen und privaten Haushalten.3
Wir gehen davon aus, dass japanische Aktien in den kommenden fünf Jahren eine jährliche Rendite von mehr als 10% erzielen und sich damit besser als US-Aktien entwickeln werden. Die Renditen dürften genauso hoch sein wie die von Schwellenländeraktien in US-Dollar, aber die Volatilität wird sicherlich deutlich geringer sein. Die Renditen könnten sogar noch höher ausfallen, wenn die Reformen den gewünschten Effekt bringen.
Japanische Aktien sollten also stärker als Bestandteil internationaler Portfolios berücksichtigt werden.
Ausländische Investoren haben Japan über weite Strecken der letzten zwanzig Jahre insgesamt untergewichtet. Aktuell ist die Allokation ausländischer Aktienportfolios in Japan so niedrig wie seit 2012 nicht mehr.
Da sich die Prioritäten in japanischen Unternehmen ändern und inländische Investoren wieder Gefallen an ihrem eigenen Markt finden, wird der Anreiz grösser, diese Allokationen zu erhöhen.
Japanische Aktien sollten in jedem Portfolio ein grösserer Bestandteil sein.
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