I am Article Layout

Sie lesen gerade: Der Lockruf der Anleihen

Wählen Sie Ihr Anlegerprofil:

Dieser Inhalt ist nur für Anleger mit folgendem Profil bestimmt: Finanzintermediär und Institutionelle Investoren und Consultants

Sind Sie ein Privatanleger?

Anlagechance: Festverzinsliche Wertpapiere

November 2022
Marketingdokument

Der Lockruf der Anleihen

Die Realrenditen sind in allen festverzinslichen Anlageklassen gestiegen. Das eröffnet seit Jahren wieder Chancen für Investoren.

01

Renaissance der Festverzinslichen

Festverzinsliche Anlagen erleben eine Renaissance. Investoren werden zunehmend für Risiken entschädigt – und in einigen Fällen sogar belohnt. Das hat es lange nicht mehr gegeben: In den letzten zehn Jahren und mehr waren Anleihen unverhältnismässig teuer. 

Jetzt sind beispielsweise die 10-Jahres-Realzinssätze in den USA innerhalb weniger Monate von -1% auf 1,5% gestiegen. Solche Sprünge gibt es normalerweise nicht innerhalb einer Generation. Andernorts ist die Veränderung noch drastischer. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel sind die Realzinsen von -2% auf 2% gestiegen. Zu jedem Zeitpunkt in der modernen Investmentgeschichte war die Aussicht auf eine Verankerung der Realzinssätze bei 2% an den Anleihemärkten der Industrieländer attraktiv. 

Diese Realerträge sind so etwas wie eine Oase mit kristallklarem, kühlem Wasser in einer lebensfeindlichen Wüste. Wir blicken ungläubig auf eine Ära zurück, in der rund drei Viertel der von den reichsten Ländern emittierten Staatsanleihen negative Nominalrenditen verzeichneten.

Natürlich ist vor dem Hintergrund geopolitischer und makroökonomischer Unwägbarkeiten Vorsicht geboten. Investoren sollten sich den Festverzinslichen langsam wieder annähern und sich nicht gleich ins Abenteuer stürzen. Und sie müssen wählerisch sein. Manche Segmente im Anleiheuniversum sind und bleiben zwar den abenteuerlustigen Investoren vorbehalten, aber es ist absehbar, dass diese Anlagen zu attraktiven langfristigen Anlagechancen avancieren.

02

Länger höher

Ein Grund für Vorsicht ist, dass die Inflation sich zwar in gewissem Masse abschwächt, aber vermutlich nicht so schnell zurückgehen wird wie von den Zentralbanken noch vor einem Jahr erwartet. Daher ist es noch zu früh, um den Kampf gegen die Inflation für gewonnen zu erklären. 

Es besteht das Risiko, dass die Zentralbanken die Zinsen jetzt länger hoch halten werden. Dieses Bild ist jedoch nicht als Spiegel des Niedrigzinsumfelds zu sehen, das in den knapp zehn Jahren nach Beginn der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 herrschte – auch wenn uns die unangenehm hohen Zinssätze noch einige Zeit erhalten bleiben werden, bevor sich die Inflation wieder in die ursprünglichen Zielspannen der Zentralbanken zurückzieht (in vielen Industrieländern bei 2%). 

Vorerst scheinen die Märkte jedoch mit einem Überschiessen der Zinssätze zu rechnen. US-Notenbankchef Jerome Powell verwies kürzlich positiv auf seinen ultra-restriktiven Vorgänger Paul Volcker, der es Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre geschafft hatte, die letzte grosse Inflationsphase zu überwinden. Das lässt darauf schliessen, dass die Fed eher zu einer exzessiven Straffung als zu einer Verwässerung der geldpolitischen Massnahmen neigt, bis die Inflation vollständig unter Kontrolle ist. Anhebungen um 75 Basispunkte auf den geldpolitischen Sitzungen scheinen in der Tat das neue Normal geworden zu sein.

Abb. 1 – Schnell hoch, langsam runter
Implizierte Forward Fed Funds Rate, %
Fig 1 Fed funds
Quelle: Bloomberg, Pictet Asset Management. Daten vom 21.10.2022.

Infolgedessen preisen die Märkte für die erste Hälfte des Jahres 2023 einen Höchststand der Fed Funds Rate von rund 5% ein, gefolgt von einer Rückkehr zur geldpolitischen Lockerung (siehe Abb. 1). Das erscheint angesichts des anhaltenden Preisdrucks und der Knappheit am Arbeitsmarkt zu optimistisch – die Inflation wird sicherlich nicht so schnell auf das Zentralbankziel zurückgehen. 

Aber egal, was passieren wird, wenn der Zinszyklus seinen Höhepunkt erreicht hat – ob die Zinsen auf einem Plateau verharren oder die Fed schnell wieder mit einer Lockerung beginnt –, schon allein die Tatsache, dass die geldpolitische Straffung vorbei ist, ist ein starkes Signal für die Märkte. Zu diesem Zeitpunkt dürften Anleihen mit längerer Laufzeit attraktiv werden, unabhängig davon, ob die Fed kurz darauf mit der Senkung beginnt oder die Zinsen für einige Zeit auf dem höheren Niveau belässt.


Abb. 2 – Staatsanleihen attraktiv
Realrendite 10-jährige Lokalwährungs-Staatsanleihe*, %
Fig 2 sovereign real yields
* Deflationiert um Prognosen zur Kernteuerungsrate von Pictet Asset Management für 2025. Quelle: Pictet Asset Management, CEIC, Datastream. Daten vom 26.10.2022.

Aktuell sind die Renditen länger laufender Anleihen attraktiv, aber aufgrund von Volatilität ist eine Investition in solche Wertpapiere potenziell mit Risiken verbunden. Deshalb bevorzugen wir vorerst kurzlaufende Anleihen von hoher Qualität. Auch Unternehmensanleihen mit kurzen Laufzeiten bieten attraktive Chancen für Investoren – Risiken (wie eine plötzliche Konjunkturabschwächung) werden über den sehr kurzen Zeithorizont durch ungewöhnlich attraktive Renditen ausgeglichen. Und wenn wir im neuen Jahr klarer sehen, wie sich die Inflation entwickelt, werden die Investoren auch wieder in längere Laufzeiten investieren können, insbesondere in Staatsanleihen, deren Realrenditen jetzt schon attraktiv erscheinen (siehe Abb. 2).

03

Geldpolitisches Fehlerpotenzial

Was die Lage kompliziert macht, ist, dass die Zentralbanken Angst vor einem geldpolitischen Fehler haben. Die Bank of England war kürzlich gezwungen, britische Staatsanleihen (Gilts) zu kaufen, um die langlaufenden Renditen zu stabilisieren, da sie einen Kollaps der Pensionsfonds befürchtete. Pensionsfonds waren am Gilts-Markt gehebelt über Derivate investiert; sie versuchten, sich das letzte Quentchen Rendite in einer Nullzinswelt zu sichern. Dieser Hebel drehte sich um und mündete in einen Anstieg der Renditen, vor allem, als der Markt über den von der ehemaligen Premierministerin Liz Truss vorgeschlagenen „Mini-Haushalt“ in Panik geriet.

Die Fed unter ihrem Präsidenten Powell dürfte erst einmal die Füsse stillhalten. Für die US-Währungshüter ist gewisser Stress an den Finanzmärkten tolerierbar – mehr noch: Er ist sogar ein wünschenswertes Instrument im Kampf gegen die Inflation und sorgt dafür, dass die USA vor einer Stagflation verschont bleiben, wie sie in den Volkswirtschaften der Eurozone droht. Und da ein Grossteil der US-Nachfrage auf einen Finanzmarktüberschuss zurückgeht, müssen die Preise für Kapitalanlagen erst einmal stark zurückgehen, bis die Fed eine Kehrtwende vollzieht. Im März 2009, dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise, zum Beispiel musste es erst zu einer ausgewachsenen Krise an den Kreditmärkten kommen, bis die Fed extreme geldpolitische Massnahmen ergriff. Ein Einbruch der Aktienkurse um fast 60 Prozent konnte sie nicht zum Handeln bewegen. Während die Zentralbanken in den Zeiten, als die Zinsen im Null-Bereich lagen, Wohlstandseffekte nutzten, um die Nachfrage zu stützen, dürften sie jetzt negative Wohlstandseffekte nutzen, um sowohl die Nachfrage als auch die Inflation zu dämpfen.

Was die Lage kompliziert macht, ist, dass die Zentralbanken Angst vor einem geldpolitischen Fehler haben.

Und jede Sofortmassnahme könnte sich als unzureichend für eine Wiederaufnahme der quantitativen Lockerung erweisen. Sollte beispielsweise das lange Ende des Anleihemarktes gefährlich volatil werden, könnte die US-Notenbank ihre „Operation Twist“, also die Senkung der langfristigen Zinssätze zur Belebung der US-Konjunktur, wieder in Gang setzen und versuchen, die Renditekurve durch den Kauf von Anleihen mit längerer Laufzeit und den Verkauf von Anleihen mit kürzerer Laufzeit flacher werden zu lassen. Sie würde einen solchen Schritt dann als neutrale Massnahme im Hinblick auf geldpolitische Impulse zur Stabilisierung des Marktes verargumentieren.

Die grosse Frage ist jedoch, wie empfindlich die Staatsanleihemärkte auf einen Kapital-Exodus reagieren. Seit es die quantitative Lockerung gibt, wird ein grosser Anteil der Staatsanleihen von den Zentralbanken gehalten – im Falle Japans fast die Hälfte aller umlaufenden Papiere –, was im Grunde genommen „sicher“ ist, weil die Zentralbanken sie unbefristet halten können. Eine weitere grosse Tranche wird von inländischen Finanzinstituten gehalten, die regulatorische Anforderungen erfüllen müssen. Die Anfälligkeit dieser Märkte richtet sich also nach dem von ausländischen Investoren gehaltenen Volumen. Und das ist von Land zu Land unterschiedlich.

04

Mister Bond, wir haben Sie erwartet

Was bedeutet das nun aber für die Investoren? 

In der Vergangenheit war diese Phase des Konjunkturzyklus, in der die Zinssätze noch steigen, die Inflation jedoch Anzeichen einer Stabilisierung zeigt, in erster Linie für Staatsanleihen von Industrieländern zuträglich. Die Attraktivität dieser Anleihen hängt von den Realrenditen, der relativen Bewertung der jeweiligen Währung und dem Grad der Anfälligkeit der Märkte für Kapitalflucht ab.

Fakt ist, dass die Renditen von US-Staatsanleihen schnell den Punkt erreichen, an dem sie angemessen bewertet sind, insbesondere am vorderen Ende der Kurve. Andere G10-Notenbanken hinken der Fed in Sachen Straffung hinterher, aber im Grossen und Ganzen dürften sich auch ihre inländischen Anleihemärkte in den kommenden Quartalen einer angemessenen Bewertung nähern.

Darüber hinaus haben die Investoren eine grosse Sicherheitsmarge. Die Renditen sind so stark angestiegen, dass die Anleger starke weitere Verluste bei den Anleihepreisen hinnehmen können und dennoch positive inflationsbereinigte Renditen erzielen können (siehe Abb. 3).

Abb. 3 – Sicherheitsmarge
Breakeven-Rendite im Verhältnis zur Endfälligkeitsrendite nach Anleihekategorie*, %
Fig 3 Margin of safety
* Legende: IG = Investment-Grade; HY = High-Yield; ST = Short-Term. Breakevens werden durch Division der Rendite der jeweiligen Anleihekategorie durch ihre Duration ermittelt. Quelle: ICE BofA Indices, Bloomberg, Pictet Asset Management. Daten vom 21.10.2022.
05

Wie gehabt: Vorsicht vor Risiken

Bislang herrscht weiterhin eine recht optimistische Stimmung bei den Aktienanlegern, auch angesichts der Turbulenzen an den Kreditmärkten. Der S&P 500 hat im bisherigen Jahresverlauf zwar 19 Prozent verloren, aber ein Rückgang dieses Ausmasses ist kaum symptomatisch für hohen Marktstress. 

Diese relative Stabilität des Aktiensektors spiegelt zum Teil die Tatsache wider, dass sich die Gewinne und Margen der Unternehmen bisher gut entwickelt haben. Das wird aber nicht ewig so sein. Unternehmen sind anfällig für das Zusammenspiel von Inflation, steigenden Finanzierungskosten, schwächelndem Wachstum und stärkerem US-Dollar – das wird früher oder später die Gewinne belasten. 

Abgesehen davon gibt es noch einen weiteren Grund, warum es an den Aktienmärkten so geordnet zugeht: Viele Aktieninvestoren starteten mit geringer oder überhaupt keiner Leverage ins Jahr 2022 und haben sich seitdem aktiv abgesichert oder ihre Aktienbestände verkauft, um zu vermeiden, dass sie einem durch Leverage ausgelösten Ausverkauf zum Opfer fallen. Aus diesem Grund war die Aktienvolatilität im Vergleich zu früheren Ausverkäufen nicht allzu hoch – was aber nicht bedeutet, dass sie nicht noch steigen kann. Und genau das ist auch ein Problem für Anleiheinvestoren. Wenn sich die Bedingungen für Unternehmen verschlechtern, bewegen sich die Aktien- und Kreditmärkte in der Regel im Gleichschritt: Krisen an den Kredit- und Aktienmärkten fallen meist zusammen.

Aktienanleger konnten sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den sogenannten „Zentralbank-Put“ verlassen, der ihnen in schwierigen Zeiten aus der Klemme geholfen hat. Angesichts der anhaltenden Inflation dürfte diese Versicherungspolice jedoch ausgelaufen sein.

Die meisten Menschen haben nicht auf dem Radar, dass die Schulden der Unternehmen in den kommenden Jahren refinanziert werden müssen – das wird schliesslich erst 2024 massiv der Fall sein. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Unternehmen weit im Voraus versuchen, ihre Finanzierung unter Dach und Fach zu bringen, vor allem, wenn sie Sorge haben, dass durch dieses Angebot die Spreads und somit auch die Finanzierungskosten weiter steigen.

So wie die Investoren der Stabilität der Unternehmensgewinne und -margen nicht zu viel Bedeutung beimessen sollten, sollten sie sich auch nicht von den äusserst niedrigen Ausfallraten täuschen lassen. Diese liegen in aller Regel sechs bis zwölf Monate hinter der Entwicklung der Spreads zurück (vgl. Abb. 4). Und die Spreads steigen. All das bedeutet, dass wir uns auf schwierige Zeiten am Kreditmarkt einstellen müssen, auch wenn es am kurzen Ende attraktive Chancen gibt.

Abb. 4 – Zeitverzögerung
Nachlaufende Ausfallrate USA 12 Monate und High-Yield-Spread, %
Fig 4 HY spreads
* Methodik näher ausgeführt in Moody’s Special Comment: „Introducing Moody’s Credit Transitions Model” and “A Cyclical Model of Multiple-Horizon Credit Rating Transitions and Default“, August 2007. Quelle: Moody’s. Daten vom 31.07.2003 bis 31.08.2022.
Schwellenländeranlagen sind möglicherweise eine Übergangslösung. Der US-Dollar hat gegenüber allen Währungen und insbesondere gegenüber dem Pfund Sterling, dem japanischen Yen und dem Euro stark aufgewertet. Im Gegensatz zu früheren Risk-off-Phasen waren Schwellenländerwährungen jedoch relativ gesehen weniger gefährdet (siehe Abb. 5). Und bereits mehr als 80% der Realrenditen der Schwellenländer sind höher als in den USA.
Abb. 5 – Schwellenländer stabil
Handelsgewichteter USD-Index vs. Industrie- und Schwellenländerwährungen, 27.10.2021 = 100
Fig 5 TWI dollar
Quelle: Pictet Asset Management, US Federal Reserve, Bloomberg. Daten vom 27.10.2021 bis 21.10.2022. 

Ein Teil dieser relativen Stärke ist darauf zurückzuführen, dass die Zentralbanken der Schwellenländer der Inflationskurve voraus sind und deutlich aggressiver als die G7-Zentralbanken vorgehen, um die Preisstabilität wiederherzustellen. Wenn die US-Zinssätze anfangen, sich zu stabilisieren, dürfte sich auch die aktuelle Überbewertung des US-Dollars in Luft auflösen. Das würde Schwellenländeranleihen in Lokalwährung einen ordentlichen Schub geben. Der Sektor der Schwellenländer-Unternehmensanleihen ist allgemein in guter Verfassung – die Leverage ist relativ niedrig, die emittierenden Unternehmen sind im Grossen und Ganzen hochwertig und im Gegensatz zu früher wird ein grösserer Teil dieser Anleihen von inländischen Investoren gehalten. Somit ist das Risiko von Panikverkäufen überschaubar. Sowohl auf US-Dollar als auch auf Lokalwährung lautende Schwellenländeranleihen haben einen näheren Blick verdient, auch wenn viele Anleger skeptisch sind, dass diesmal alles anders sein soll.

Es ist zwar noch früh, aber die Anleihemärkte sind für Investoren so attraktiv wie seit Jahren, in einigen Fällen sogar Jahrzehnten nicht mehr. Die Volatilität und die Risiken einer breiten und sich ausbreitenden Stagflation stellen nach wie vor eine Bedrohung für alle riskanten Anlagen dar. Und das Risiko geldpolitischer Fehler kann nicht ausgeschlossen werden. Aber die Investoren werden für die Risiken entschädigt – und sogar belohnt.