Eine Welt, zwei Systeme? China verringert den Einfluss der USA auf die globale Technologieindustrie. Investoren beobachten diese Entwicklung mit einer Mischung aus Hoffnung und Sorge. Eine Verschärfung der chinesisch-amerikanischen Rivalität stürzt die Welt in einen technologischen Kalten Krieg, so die Befürchtung.
Aber die Konkurrenz aus China könnte auch positive Auswirkungen haben. Die Geschichte zeigt, dass Rivalitäten oft ein mächtiger Ansporn sind. Ein Beispiel ist das amerikanisch-sowjetische Wettrennen im Weltraum in den 1970er Jahren, das zu zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Durchbrüchen führte.
Tatsächlich liegt es aber im Interesse Chinas und der USA, eine gemeinsame Basis zu finden. Die beiden Volkswirtschaften sind eng miteinander verflochten: Die zwischen den Ländern jährlich gehandelten Güter – Importe und Exporte – sind mehr als eine halbe Billion US-Dollar wert.
Aber auch wenn die Rivalität der Länder zu technologischem Fortschritt führt, wird es Verlierer geben. Der unvermeidliche Aufstieg Chinas setzt der US-Vorherrschaft in der Tech-Branche ein Ende. Auch die außergewöhnlich hohe Rentabilität amerikanischer Tech-Konzerne im vergangenen Jahrzehnt könnte damit vorüber sein.
Source: Pictet Asset Management
Dies wirkt sich auch auf die Märkte aus. Für Investoren bedeutet das: Um aus der kommenden Wachstumsphase der Technologiebranche Kapital zu schlagen, müssen sie sich über das Silicon Valley hinauswagen. „Etwas weniger USA, etwas mehr Asien“, lautet der Leitspruch.
Das Ringen um technologische Vorherrschaft hat schon vor einiger Zeit begonnen. Im Jahr 2015 legte China einen ehrgeizigen Plan zur Entwicklung von Hightech-Industrien vor, um seine Abhängigkeit von ausländischer – und insbesondere US-amerikanischer – Technologie zu verringern. Im Rahmen des zuvor als „Made in China 2025“ bekannten Programms fördert China technologiebezogene Branchen wie Elektroautos, Informationstechnologie und Telekommunikation, Robotik und Künstliche Intelligenz.
Am meisten beunruhigt die USA jedoch Chinas Ehrgeiz bei Halbleitern. Die US-Chipfirmen beschäftigen nicht nur mehr als 200.000 Amerikaner, sie verfügen auch über eine enorme Marktmacht. Ihre Halbleiter sind das Rückgrat jedes elektronischen Geräts – von Laptops und Smartphones bis hin zu Elektroautos und Fabrikrobotern.
Gegenwärtig haben die US-Firmen bei Halbleitern einen Anteil von 47 Prozent am Weltmarkt. Etwa 60 Prozent der weltweiten Nachfrage entfallen auf China. Die einheimischen Lieferanten können dabei bislang kaum ein Drittel des Bedarfs decken. Aber das kann sich ändern. Zusammengenommen liegt der Marktanteil Chinas, Taiwans und Koreas laut aktueller Branchenzahlen bei 30 Prozent, verglichen mit etwas mehr als 20 Prozent vor einem Jahrzehnt.
China hat erkannt, dass hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung unerlässlich sind, wenn es um die Herstellung hochmoderner Halbleiterkomponenten geht. Aus diesem Grund hat das Land ein neues Investitionsprogramm in Höhe von 29 Milliarden US-Dollar zur Förderung der einheimischen Chipindustrie aufgelegt.
Die Halbleiterindustrie ist aber nicht der einzige Markt, auf dem China zur Konkurrenz für die USA wird. Chinas Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht. Den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2018 zufolge beliefen sie sich auf 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).
Die USA müssen schnell reagieren. Die Forschungsausgaben der Vereinigten Staaten gingen von 1,2 Prozent des BIP Ende der 1980er Jahre, als die Regierung großzügig mit Investitionen beim Aufbau des Silicon Valley half, auf zuletzt 0,8 Prozent des BIP zurück.
Würden die USA ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf das Niveau Chinas angeben, hätte das positive Folgen für die Weltwirtschaft. Studien haben ergeben, dass der Nutzen dieser Investitionen weit über die beteiligten Firmen und Branchen hinausgeht. Eine Erfindung kann der Forschung neue Wege eröffnen, die Produktivität steigern oder die Produktionskosten senken. Das wirkt sich auch auf andere Länder aus, zeigen Untersuchungen. Wer mit innovativen Staaten Handel treibt, wird selbst produktiver.
Durch Chinas Aufholjagd verschärft sich der Wettbewerb in mehreren Schlüsselbereichen der Technologieindustrie:
Europa sollte nicht als bloßer Beobachter im globalen Technologiewettlauf abgeschrieben werden – die Region wetteifert ebenfalls um ein Stück vom Kuchen. Ein Beispiel ist Gaia-X, eine neue gemeinsame Cloud-Initiative von etwa 100 Unternehmen und Organisationen, die mit Dateninfrastruktur Unternehmen wie Amazon und Alibaba Konkurrenz machen will. Großbritannien ist auch die Heimat großer Chip-Firmen wie ARM.
Wenn China und die USA einen Weg finden, sich als globale Technologiemächte gegenseitig anzuspornen, verspricht das kommende Jahrzehnt spannende technologische Fortschritte. Technologie mag in einer digitalisierten Welt allgegenwärtig erscheinen. Zu bedenken ist aber, dass weniger als 60 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet hat. Bei Clouds liegt die Durchdringung bei 20 Prozent. Zudem werden nur 12 Prozent der weltweiten Verbraucherausgaben in Höhe von 24 Billionen US-Dollar online getätigt.
Für Investoren wird diese neue Weltordnung Herausforderungen mit sich bringen. Um das langfristige Wachstumspotenzial von Technologien zu nutzen, müssen sie weiter in die Ferne blicken. Anleger sollten ihren Blickwinkel über die bekannten – und immer teureren – Unternehmen im Silicon Valley hinaus erweitern und einen größeren Teil ihres Kapitals in schnell wachsende Unternehmen in anderen Regionen wie Asien investieren.
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