Die Zukunft ist für Anleiheinvestoren so düster wie nie zuvor in den letzten 50 Jahren. Haben die Zentralbanken genug getan? Oder vielleicht zu viel? Wird die Inflation auf den Zielwert sinken, ohne dass es zu einer Rezession kommt? Oder bricht auch das Wachstum ein? Vielleicht ziehen aber auch sowohl das Wachstum als auch die Inflation wieder an.
In jedem Inflations- und Wachstumsszenario gibt es Gewinner und Verlierer, das gilt auch für die verschiedenen Anleiheklassen. Es ist allerdings nicht ganz einfach herauszufinden, in welchem Szenario wir uns gerade befinden, insbesondere in Zeiten des Umschwungs. Aber unsere Investmentheuristik trägt dazu bei, den Anlegern die Entscheidungen zu erleichtern.
Wie die 1970er-Jahre deutlich gezeigt haben, fällt eine steigende Inflation nicht immer mit Wirtschaftswachstum zusammen. Es ist auch nicht immer so, dass wirtschaftliche Schwäche zu einer sinkenden Inflation führt – Stichwort Stagflation. In jedem Fall sollten Investoren wissen, wie sich Anlagewerte in den verschiedenen Inflations- und Wachstumsszenarien verhalten.
Wir haben die Zeiträume danach klassifiziert, ob das vierteljährliche BIP-Wachstum der USA über oder unter seinem gleitenden 7-Jahres-Durchschnitt lag und ob die Inflation über einer jährlichen Rate von 2% lag und stieg oder aber unter 2% lag und fiel. Anhand dieser Klassifizierungen konnten wir herausfinden, wie sich die verschiedenen festverzinslichen Anlagen in verschiedenen wirtschaftlichen Szenarien entwickeln. Dazu analysierten wir die einjährigen Gesamtrenditen verschiedener festverzinslicher Instrumente im Verhältnis zur Inflation und dem Wirtschaftswachstum in den USA seit 1950. Die Ergebnisse sind in der Abbildung dargestellt.
Insgesamt sind die Geldmärkte zwar positiv mit der Inflation korreliert, in Zeiten hoher und steigender Preise sind ihre Realrenditen jedoch leicht negativ. Inflationsgebundene US-Anleihen (TIPS) hingegen verbuchen in Inflationsphasen positive Renditen.
US-Hochzinsanleihen weisen nur eine geringe positive Korrelation mit der Inflation auf, werden sich aber bei steigendem Wachstum viel eher positiv entwickeln. US-Investment-Grade-Anleihen dagegen neigen in Zeiten steigender Inflation zu einer schlechten Wertentwicklung, verzeichnen aber eine leicht positive Korrelation mit Wachstum. Die Renditen von US-Staatsanleihen korrelieren überraschenderweise nicht mit der Inflation, dafür aber negativ mit Wachstum.
„Goldlöckchen“: starkes Wachstum, niedrige Inflation. Diese frühe Phase nach einer Rezession, in der sich die meisten Menschen am wohlsten fühlen, ist auch ein Segen für riskante Anlagen. In dieser Phase schneiden Hochzins- und Investment-Grade-Anleihen im festverzinslichen Universum am besten ab, mit durchschnittlichen jährlichen Renditen von rund 11% in den USA. Das ist das zweitbeste wirtschaftliche Umfeld für diese Anlagekategorie, was darauf hindeutet, dass der Faktor Wachstum hier wichtiger ist als die Inflation. US-TIPS (inflationsgebundene Anleihen), -Staatsanleihen und -Geldmarktpapiere hingegen haben sich in der Vergangenheit schlecht entwickelt.
Abschwung: schwaches Wachstum, niedrige Inflation. In Phasen hoher Inflation greifen die Zentralbanken ein. Durch die Verschärfung der geldpolitischen Bedingungen soll einem Aufheizen der Wirtschaft entgegengewirkt werden, gleichzeitig kann es aber auch zu einer ausgewachsenen Rezession kommen, vor allem, wenn die Zentralbanken überreagieren oder einen geldpolitischen Fehler machen. Das kommt Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen zugute, die in der Vergangenheit in einem solchen Klima Renditen von 8% erzielt haben.
Stagflation: schwaches Wachstum, hohe Inflation. In Zeiten hoher Inflation und niedrigen Wachstums erzielten US-TIPS 8% Rendite und US-Staatsanleihen 7%, während sich Hochzinsanleihen und Geldmarktpapiere schlecht entwickelten.
Boom: hohes Wachstum, hohe Inflation. Wenn die Zentralbanken den Geldhahn länger aufgedreht lassen als es die wirtschaftlichen Bedingungen rechtfertigen, oder wenn die Regierungen sehr ausgabefreudig waren – oder auch beides zusammen, wie unmittelbar nach der Covid-Pandemie –, überhitzt die Wirtschaft. Diese Bedingungen sind gut für besonders riskante Anlagewerte, in erster Linie Hochzinsanleihen.
Interessanterweise ändert sich am Gesamtergebnis nichts, auch wenn die Renditen um das Risiko bereinigt werden. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass wir uns hier auf Daten ab 1998 beschränkt und nicht die gesamte Entwicklung bis 1950 zurückverfolgt haben. Der einzige nennenswerte Unterschied besteht darin, dass TIPS in Phasen eines Inflationsanstiegs risikobereinigt attraktiver erscheinen.
Das Universum der Schwellenländer: Anleihen aus Schwellenländern orientieren sich daran, wie sich ihre Volkswirtschaften im Vergleich zu den Industrieländern entwickeln. Zum Beispiel sind Zeiten, in denen die Wirtschaft wächst und der Wachstumsabstand zu den Industrieländern gross ist – wie aktuell der Fall – positiv für Schwellenländeranleihen in Lokalwährung.
Die Inflation hat in den meisten Industrie- und Schwellenländern ihren Höhepunkt erreicht und dürfte weiter nachlassen. Die wirtschaftlichen Aussichten gehen jedoch auseinander. Die Schwellenländer befinden sich in einem fortgeschritteneren Stadium des Zinszyklus und sind in der Lage, das Wachstum anzukurbeln, während sich der Ausblick für die Industrieländer eintrübt. Beispielsweise haben die privaten Haushalte in den USA ihre überschüssigen Ersparnisse weitgehend aufgebraucht, sodass das verfügbare Einkommen und in der Folge auch die Ausgaben abnehmen. Gleichzeitig verschärfen sich die Finanzierungsbedingungen und der globale Handel geht zurück.
Die Geschichte wird sich nicht eins zu eins wiederholen, aber sie ist eine Orientierungshilfe für Anlageentscheidungen.
Unserem Modell zufolge deuten eine schwächere Inflation und eine Abkühlung des Wachstums – zumindest in den Industrieländern – darauf hin, dass Investoren gut daran tun, in US-Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen zu investieren. Bei Hochzinsanleihen dagegen sollten sie vorsichtig sein, denn hier sind die Spreads weiterhin niedrig und das Ausfallrisiko steigt. Schwellenländeranleihen in Lokalwährung hingegen dürften von der Abwertung des US-Dollars und den robusteren lokalen Volkswirtschaften profitieren.
Irgendwann wird der Zyklus in eine andere Phase rücken. Die Inflation wird auf den Zielwert der Zentralbanken sinken, was ein Signal für Leitzinssenkungen sein wird. Dadurch wird das Wachstum angekurbelt und die Wirtschaft wird wieder boomen. Dann werden sich die Investoren auf ein anderes Szenario einstellen müssen (siehe unser Modell). Die Geschichte wird sich nicht eins zu eins wiederholen, aber sie ist eine Orientierungshilfe für Anlageentscheidungen.
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